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Sie sei eine ehrgeizige Person, sagt Stefanie Hiltbrunner. Doch Forschung auf Spitzenniveau und Handball in der Nationalliga – das wurde selbst ihr irgendwann zu viel. Nach ihrem Masterstudium in Immunologie und Mikrobiologie an der ETH spielte sie als Goalie im Nati A-Team von Yellow. Irgendwann aber stand die Entscheidung an: «Mannschaftssport und Wissenschaft sind ab einem gewissen Niveau nicht mehr vereinbar. Jeden Abend um sieben in der Halle zu stehen, ist nicht möglich, denn ein Experiment ist selten pünktlich auf den Feierabend fertig.»
Zwei Jahre lang reduzierte sie damals ihr Pensum als Labormanagerin an der ETH, um mehr spielen zu können. Die geistige Stimulation und die Herausforderung fehlten ihr mit der Zeit aber zu sehr, weshalb sie sich aus dem Sport zurückzog. Für ihr Doktorat ging sie an das Karolinska-Institut in Stockholm, eine der angesehensten medizinischen Universitäten der Welt. Durch ihre Dissertation über Immuntherapie bei Krebserkrankungen ist sie auch zur Krebsforschung gekommen – mehr zufällig als absichtlich. «Ich bin da eher reingerutscht.» Ihre Leidenschaft hat sie damit aber gefunden.
Es sei schön gewesen, einmal weg zu sein, sagt Hiltbrunner über ihre Zeit in Schweden. Sie konnte Abstand gewinnen – und schätzte ihre Heimat nach der Rückkehr umso mehr. Von Yellow war sie aber auch während dieser fünf Jahre nie weit entfernt. Über Weihnachten und Neujahr flog sie jedes Jahr nach Hause, um im Organisationskomitee des Yellow Cup-Turniers mitwirken zu können. Im Juni 2016 wurde sie in Abwesenheit zur Präsidentin gewählt.
«Ich bin zielstrebig und ambitioniert – das sind in unserer Gesellschaft keine weiblichen Attribute.»Stefanie Hiltbrunner,
Krebsforscherin und Präsidentin von Yellow
Während ihrer Amtszeit möchte sie den Sport sichtbarer machen. Mehr Aufmerksamkeit täte dem Handball gut, sagt Hiltbrunner. Als Deutschland 2016 Europameister wurde, hätten dort die Kinder danach die Hallen gestürmt. «Vereine sind wie eine Pyramide aufgebaut. Es braucht unheimlich viele Nachwuchsspieler an der Basis, um an der Spitze gut zu sein.»
Ob Yellow wohl deshalb schwächelt? Positive Schlagzeilen waren in den letzten Jahren eher eine Seltenheit. Hiltbrunner widerspricht: «Von Schwächeln kann man nicht sprechen. Unsere Frauen spielen in der Nati A, die Männer in der Zweit- und Drittliga. Natürlich gibt es Wellenbewegungen – aber man darf seine Sicht nicht auf zwei oder drei Jahre verengen. Wir befinden uns momentan im Generationenwechsel.» Der Nachwuchs sei vorhanden: Yellow leiste bei der Juniorenförderung grosse Arbeit. Besonders die Lektionen im Schulsport, die der Verein in Winterthurer Schulhäusern durchführe, begeistern viele Kinder für den Handball.
In der über fünfzigjährigen Geschichte des Vereins ist Hiltbrunner die erste Frau im Präsidentenamt. Zu spüren bekommen habe sie das nie. Trotzdem dürfe man als Frau nicht lockerlassen. «Für Frauen und Männer gelten noch immer verschiedene Standards. Ich bin zielstrebig und ambitioniert – das sind in unserer Gesellschaft keine weiblichen Attribute.»
In der Wissenschaft sehe sie, dass Frauen ihre Karriere oft verfrüht beenden müssten, weil die Arbeitsweise in der Schweiz nicht familienorientiert sei. Schweden habe ihr gezeigt, dass es auch anders gehe: Dort werden etwa keine Meetings vor neun Uhr angesetzt, damit Eltern morgens Zeit hätten, mit ihren Kindern zu frühstücken.
«Wenn man weiss, wie gross der Aufwand dahinter ist, vermisst man auch die Spiele nicht mehr so.»Stefanie Hiltbrunner
Sie selber hat noch keine konkreten Familienpläne – das hänge auch von ihrem Partner ab. Mehr zu ihrem Privatleben gibt Hiltbrunner, die im Gespräch freundlich, aber zurückhaltend auftritt, nicht preis.
Ein Ziel für die Zukunft sei sicher, irgendwann ein eigenes Labor zu führen. Momentan erforscht sie in einem Labor am Universitätsspital Zürich, weshalb einige Lungenkrebspatienten besser auf Immuntherapien ansprechen als andere.
Den nächsten akademischen Titel verfolgt sie indes nicht: «Eine Professur ist in der Schweiz schier unmöglich.» Man müsse Studien am Laufband publizieren, um weiterzukommen. Weil oft nur positive Resultate berücksichtigt werden, sei die Versuchung natürlich gross, die Zahlen zu beschönigen. «Es ist ein Fehler im System – aber mit Sicherheit keine Ausrede, Ergebnisse zu verfälschen. Die Wissenschaft hat die Verantwortung, korrekte, reproduzierbare Resultate zu liefern.»
Um das Vertrauen in die Forschung zu wahren, sei es nötig, besser zu kommunizieren, sagt Hiltbrunner. Viele hätten keine Ahnung, was in einem Labor passiere. Die Vorstellung vom weltfernen Wissenschaftler, der alleine in einem Keller pröbelt, sei überholt: Laborarbeit ist heute beinahe schon Mannschaftssport. «Ich extrahiere vielleicht die DNA, eine anderer Forscherin analysiert sie und ein Bioinformatiker wertet die Daten dann aus.»
Vermisst sie den Handball nicht trotzdem? «Nein», sagt Hiltbrunner. Die Emotionen, die im Match aufkommen, seien schon etwas Besonderes. Ihr fehle aber die Zeit und die Lust, fünf Mal in der Woche abends zu trainieren. «Wenn man weiss, wie gross der Aufwand dahinter ist, vermisst man auch die Spiele nicht mehr so.»
Erstellt: 06.05.2018, 18:31 Uhr
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